Blog #2 – Wie entwickelt man eine Unternehmenskultur des Helfens? Von Givers, Takers und Matchers…

“….With a little help from my friend”, so sang Joe Cocker in den 70er Jahren in einem mittlerweile berühmt gewordenen Song.

Machen Sie derzeit auch die Beobachtung, dass aktuell viele Menschen helfen wollen? Sei es ein Bundesligaverein, der das Rote Kreuz unterstützt, Studentinnen, die sich bei der 1450-Hotline engagieren, oder junge Menschen in Wohngemeinschaften, die alten Menschen bei Besorgungen unterstützen. Laut einem aktuellen Bericht der New York Times kommen jene Menschen am besten mit der Krise zurecht, die anderen helfen („To help yourself, start by helping others!“).

Aber, warum helfen Menschen? Darüber hat sich ADAM GRANT Gedanken gemacht und hat festgestellt, dass die individuellen Erfolgsparameter wie harte Arbeit, Leidenschaft und Talent heutzutage nicht mehr alleine ausschlaggebend sind. Seiner Meinung nach hänge „Erfolg“ vielmehr von unserem Umgang mit anderen ab. In der Interaktion mit anderen unterscheidet er drei grundsätzliche Typen:

Prof. Adam Grant
Bildnachweis: Ted.com
  • Taker“ (=Nehmende) sind Menschen, die ihr Handeln ausschließlich egoistisch auf ihren eigenen Vorteil und Erfolg ausrichten.
  • Matcher“ (=Vergleichende) helfen gerne anderen Menschen. Sie achten aber darauf, dass sie irgendwann eine Gegenleistung bekommen. Matcher streben langfristig das Gleichgewicht von Geben und Nehmen an, nach dem Motto „eine Hand wäscht die andere“. Darin liegt eine Gefahr – wenn auch eine natürliche Tendenz – dass Menschen in Organisationen in „Negativspiralen“ abdriften. Aufgrund von Wahrnehmungsverzerrungen achten sie darauf, was sie von anderen nicht bekommen, als das was sie selbst nicht zu geben bereit sind. Dies treibt Menschen dazu, darauf zu warten, das andere den ersten Schritt machen. So entsteht eine Kultur des „Sich Zurückhaltens“, anstatt sich proaktiv und mit positiver Energie einzubringen.
  • Giver“ (=Gebende) sind jene, die uneingeschränkt anderen helfen und sich durch Ehrlichkeit und Einfühlungsvermögen auszeichnen. Sie wollen das bestmögliche Ergebnis für alle erzielen, ohne unmittelbar eine Gegenleistung zu erwarten. Sie handeln großzügig, als Zeichen sozialer Intelligenz. Sie pflegen eine „Ethik der Gabe“, bei der ein Geben nicht durch Nutzenkalküle entwertet wird.

Helfen wirkt offensichtlich, aber wie setzt man eine „Kultur des Helfens“ professionell um und welche Anregungen gibt es dabei für Führungskräfte? Darüber hat sich wiederum EDGAR H. SCHEIN Gedanken gemacht.

Prof. Edgar Schein
Bildnachweis: egonzehnder.com

Es geht ihm um Fragen nach grundlegenden Spielregeln einer helfenden Beziehung, nach Bedeutung und Wirkungsweise beim Aufbau von Beziehungen und um Vertrauen in der sozialen Dynamik zwischen Helfer und Klient.

Zur Förderung einer offenen und vertrauensvollen Kommunikation untereinander nimmt er in seinem (übrigens hervorragenden) Buch „Helping“ den Beziehungsaufbau besonders in den Blick. Er unterscheidet zwei Arten von Beziehungen, die aufeinander aufbauen:

  • Im sozialen Miteinander sind wir es gewohnt, eine formelle Beziehung zu pflegen, die kennzeichnend für die meisten helfenden Situationen ist. Beispiele dafür finden wir bei Beziehungen zwischen Ärztin und Patientinnen, Beraterinnen und Kundinnen, etc. Schein nennt ein solches grundsätzlich professionelles Verhältnis zwischen Akteuren als „Level-1-Beziehung“.
  • Man kann jedoch eine formell-professionelle Beziehung weiter vertiefen, indem wir fürsorgliches Interesse für andere in deren jeweiligen Situationen zeigen und sich in Folge dabei helfend engagieren. Dadurch erzeugt man eine „Level-2-Beziehung“, die offene und vertrauensvolle Kommunikation erst richtig ermöglicht.

Der Aufbau einer „Level-2-Arbeitsbeziehung“ erfordert, dass man die Beziehung personalisiert, indem man im Augenblick des persönlichen oder virtuellen Kontakts eine Haltung vermittelt, die sich durch

  • Engagement für Helfen
  • Neugier und
  • fürsorgliches Interesse an Mitarbeiter*innen und ihrer Situation (siehe auch Fürsorgepflicht des Arbeitsgebers lt. ASchG)

auszeichnet.

Anregungen und Action Tipps für („Level-2“) Führungskräfte:

  • Beobachten Sie derzeit genau in Ihren Teams wer mehr Nähe und wer mehr Distanz braucht.
  • Investieren Sie besonders in Beziehungspflege und fragen sie aus echtem Interesse nach wie es allen geht, anstatt anderen (nur) zu erklären, was sie tun sollten. D.h. vermeiden sie derzeit eine „Culture of Doing and Telling“
  • Als grundlegende „Helfer“-Fähigkeit einer Führungskraft erweist sich die Technik des „behutsamen und zurückhaltenden Fragens“(Schein nennt dies „humble inquiry“). Damit wählen Sie den Königsweg zum Aufbau einer tragfähigen und vertrauensvollen Arbeitsbeziehung
  • Fragen sind somit das wichtigste Mittel einer effizienten Hilfestellung („Wer fragt, führt“)
    • Stellen Sie interessierte und persönliche Fragen
    • zeigen Sie beim Zuhören Empathie für Ihr Gegenüber als auch seine Gefühle hinsichtlich der aktuellen Situation („emotionale Fieberkurve bei Veränderungen“)
    • Teilen Sie eigene und persönliche Gedanken und Erfahrungen mit
    • ermuntern Sie ihre Teammitglieder ganz einfach zum Weiterreden, „Erzählen Sie bitte mehr…“, „Was hat das bei Ihnen ausgelöst…“
  • Somit unterstützen Sie die Förderung einer Kultur des Helfens in ihrem Team: Alle sind zugleich Helfer und Klient.

Diese „gentle art of asking instead of telling“ ist ein Prozess der viel Übung und durchaus Mut von einer Führungskraft verlangt, aber wie sang schon einst der erwähnte Joe Cocker: „Have a little faith in you!“…

(*) Mein Dank gilt meinem Freund Dr. Gerhard P. Krejci für die wertvollen Impulse zu diesem Blog.

Literatur:

GRANT Adam (2013): Give & Take. Why helping others drives our success. Penguin NY

SCHEIN Edgar (2009): Helping. How to offer, give and receive help. Berret-Koehler

SCHEIN Edgar, SHOOK John (2017): On Coaching. Lean Enterprise Institute

PARKER-POPE Tara (2020): The science of helping out. NYT, 09 April 2020

ROSE Niko (2019): Sonnen und schwarze Löcher in der Organisation. Relationale Energie messen und nutzen. In: ZOE 3/2019

weiterführende Links/Videos:

Adam Grant (Youtube): Are you a giver or a taker?

Edgar Schein (Heart of the Art): Ed Schein´s Principles of Helping

Veröffentlicht von Dr. Stefan Teufl

TEUFLs CONSULTING (Strategic HR & Positive Leadership Advisory, Learning & Development Concierge Services) / FHWien der WKW (Studiengang HR & Organization, Fachbereichsleitung Organisationsentwicklung & HR-Transferprojekte) stefanteufl607@gmail.com / stefan.teufl@fh-wien.ac.at

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