…diesmal hat es etwas länger gedauert mit Teil 2 des MASTERMINDS-Podcasts „Führen und Führen lassen!“. Ausschnitte aus dem Interview von Manuel Fink (MF) von der E-Learning Group mit mir (ST). Der Podcast aus dem Frühjahr 2021 ist auch hier abrufbar:

MF: Derzeit ist ja virtuelle Führung oder Remote Leadership in aller Munde. Gibt es da aus Ihrer Sicht Erfolgsprinzipien für Führungskräfte?
ST: Bei Remote Leadership (=“Führen auf Distanz“ oder „virtuelle Führung“) geht es darum, die Arbeitsfähigkeit in verteilten Teams zu erhalten. Dann geht es darum die Produktivität des Einzelnen und des Teams auszubauen. Schließlich um ein gutes „Krisenmanagement“ um psychologische Stabilität aller zu erhalten. Dazu gehört auch ein stärkender Umgang mit sich selbst als Führungskraft, sowie das eigene Team in seiner Verantwortung zu unterstützen.
Folgende Erfolgsfaktoren sind meiner Meinung bei Remote Leadership entscheidend:
- Vertrauen und Kontakt herstellen: nicht Medien, sondern Menschen erschaffen Kontakt. Ohne Vertrauen und Vertrautheit gibt es keinen Erfolg.
- Vision, klare Ziele: Verankerung eines emotional und inhaltlich ansprechenden Zielbilds für das Team.
- Teamkultur : Klarheit über wünschenswertes Verhalten und Regelung des Umgangs miteinander.
- Fokus auf Team und Mitarbeiterinnen: Achtsame Beobachtung der Teamdynamiken, sowie Wertschätzung des Einzelnen.
- Digitale Kompetenz: Mitarbeiterinnen und sich selber als Führungskraft digital weiterentwickeln (Schlagwort „Re-und Upskilling“)
MF: Welche Trends und aktuellen Führungsansätze gibt es darüber hinaus?
ST: Es gibt eine Unzahl an Führungstheorien und Führungsansätzen. Alleine die aktuelle Auflage des Klassikers „Führen und führen lassen“ von Oswald Neuberger hat über 900 Seiten und ist vollgespickt mit Führungsmodellen.

Am bekanntesten und grundlegend wird zwischen transaktionaler und transformationaler Führung unterschieden:
- Transaktionale Führung – Die Führungskonstellation zu Mitarbeiterinnen wird hier als kontinuierlicher Tauschhandel verstanden. Dahinter steht das bekannte „Prinzip der Karotte“, also verkürzt gesprochen: gezielte Leistung – mehr Bonus.
2. Transformationale Führung – Die Führungskonstellation ist lt. diesem Ansatz geprägt durch Vorbildfunktion, inspirierende Motivation, individuelle Berücksichtigung, sowie intellektuelle Anregung.
Reife Führungskräfte sollten je nach Anlass und Kontext in der Lage sein, auf beiden Klaviaturen zu spielen, um das volle Potenzial ihrer Mitarbeiter:innen abzurufen („Full Range Leadership“). Früher hätte man dazu situative Führung gesagt…
Die Empirie zeigt auch, dass transformationale Führung sich in einem höheren Level an psychologischen Wohlbefinden der Geführten niederschlägt. Apropos Wohlbefinden… hier gibt es in den letzten Jahren besonders zwei Ansätze, die neu und erfolgversprechend sind. Diese kommen aus der Positiven Psychologie: nämlich 1. stärkenorientierte Ansätze wie Positive Leadership und 2. Servant Leadership (zu deutsch in etwa „dienende Führung“)
Beide Ansätze haben eine starke bis ausschließliche Fokussierung der Führungskraft auf die Bedürfnisse der Geführten.
Mit welchen Fragen beschäftigt sich generell die Positive Psychologie?: zum Beispiel „Was lässt Beziehungen gelingen, im privaten wie im beruflichen Kontext?“ oder „Unter welchen Umständen empfinden Menschen ihr Arbeitsleben als sinnvoll?“, oder „Welche Eigenschaften von Menschen und Organisationen können verlässlich Erfolg vorhersagen?„
Die Positive Psychologie beschäftigt sich somit mit positiven Emotionen und Stärken von Menschen (sog. Charakterstärken oder Signaturstärken, natürlich ohne die Schwächen – diplomatischer formuliert Entwicklungspotenziale 😊 – die jeder Mensch hat zu negieren).
Am bekanntesten ist das sog. PERMA-Modell nach Martin Seligman, dem Begründer der Positiven Psychologie. Dahinter steht das Prinzip „Was Menschen zum Aufblühen bringt“ (=Flourishing-Prinzip):

Weitere Führungstrends sind „Charismatische Führung“ und „Authentische Führung„. Bis heute ist aber nicht geklärt, ob diese beiden Ansätze einen ureigenen Beitrag zum Verständnis von Führung leisten. Einen eigenen Beitrag leistet neben Positive Leadership der „Servant Leadership“-Ansatz, also übersetzt „Dienst an den Geführten“, oder anders gesagt „Fürsorge seitens des Dienenden“.
Darüber hinaus gibt es noch weitere Konzepte und aktuelle „Good-Leadership“- Führungstrends, schlagwortartig aufgezählt: Responsible Leadership (Ethik- u Werteorientierte Führung), „Shared Leadership“ (=das Teilen eines Führungsjobs auf zwei Personen. Mit diesem Ansatz habe ich persönlich sehr gute Erfahrungen gemacht in der Praxis), Sinnorientierte Führung (siehe meine Blogbeiträge #5 und #6). Schlussendlich psychoanalytische Führung und ganz aktuell sehr viel Forschung und Publikationen zu Bad Leadership („Die Dunkle Seite der Macht“).
Angelehnt an die Prinzipien der positiven Psychologie und der erwähnten „Selbstbestimmungstheorie“ (siehe Blog #8) ist meine persönliche Überzeugung für Führung und die Zusammenarbeit in Organisationen: Wir Menschen wollen lernen und uns als kompetent erleben, wir wollen Freude empfinden, idealerweise im Kontakt mit Menschen, die uns mögen und wertschätzen.
MF: Gibt es neben aktuellen Trends auch Führungskompetenzen die zeitlos sind oder anders gefragt, kann man Führung erlernen oder ist Führung angeboren?
ST: Früher wurde der beste Verkäufer oder die beste Expertin zur Führungskraft ernannt. Dieses MEISTERPRINZIP hat in der Führung meiner Meinung nach längst ausgedient. Leadership hat nichts damit zu tun, der oder die Beste in einem Fachgebiet zu sein, obwohl das natürlich ein wichtiges Fundament ist. Statt austauschbarer Fachkompetenzen machen in einer komplexen und schnelllebigen Arbeitswelt vor allem die Kreativität, die Ideen der beteiligten Menschen den entscheidenden Unterschied. Führungsaufgabe ist es ein entsprechendes Umfeld zu schaffen, in dem Mitarbeiter*innen ihr volles Potenzial einsetzen können und wollen!
Führung bzw. Management hat aber auch sehr viel mit Übung und Handwerkskunst zu tun. Das Wort Management leitet sich vom italienischen Wort „Maneggiare“ ab, was soviel wie ein „Handwerk erlenen“ oder „an der Hand führen“, oder auch „ein Pferd in der Manege führen“. Also Führen und Managen ist auch eine Handwerkskunst – nicht nur im wörtlichen, sondern auch im übertragenen Sinne. Im englischen nennt man das „Craftmanship“, oder um es zeitgemäßer und vielfältiger zu sagen „Craftwomenship“.
Um diese Handwerkskunst zu beherrschen braucht es viel Wissen, einen guten Erfahrungshintergrund, also etwas das ich oft gut gemacht oder geübt habe. Ebenso einer Aufgabe, der ich mit Hingabe nachgehe und sie um ihrer selbst willen gut machen möchte. Diese Handwerkskunst steht für die besondere menschliche Möglichkeit engagierten Tuns. Als emotionale Belohnung resultiert Stolz auf die eigene Arbeit. Jegliches „handwerkliches Können“, sei es von Sportlern, Dirigenten, Schriftstellerinnen oder „guten“ Führungskräften basiert auf hoch entwickelten Fähigkeiten und Fertigkeiten….und gemäß der alten Volksweisheit „Übung macht den Meister“ aus langjährigem Üben, Trainieren, Fleiß, Grit und Disziplin (z.B. die berühmte „10.000 Stunden Regel“ nach Anders Ericsson).
Im Teil 3 geht es um Haltungen und Lernbarrieren im Leadership Development, sowie um aktuelle Trainingsmethoden …und warum Liegestütze bei der Einschätzung von Kompetenzen und Potenzialen von Mitarbeiter:innen helfen können …
Weiterführende Literatur:
ROSE Nico (2019): Arbeit besser machen. Positive Psychologie für Personalarbeit und Führung. Haufe
NEUBERGER Oswald (2002): Führen und führen lassen. 5. Auflage. UTB, Lucius & Lucius
SENNETT Richard (2008): Handwerk. Berlin Verlag
EBNER Markus (2019): Positive Leadership. Facultas
KUHN Thomas, WEIBLER Jürgen (2020): Bad Leadership. Vahlen
BAECKER Dirk: Welchen Unterschied macht das Management? http://club-systemtheorie.org (aufgerufen am 2.7.21)
DUCKWORTH Angela (2017): Grit: The power of Passion and Perseverance. Penguin
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