Blog #5 – Being John Cleese…oder das Leben hat gerade jetzt einen Sinn! Teil 1

Also, nun kommt der Sinn des Lebens. Nun, es ist wirklich nichts Besonderes. Versuch einfach, nett zu den Leuten zu sein, vermeide fettes Essen, lies ab und zu ein gutes Buch, lass Dich mal besuchen und versuch mit allen Rassen und Nationen in Frieden und Harmonie zu leben…“ (Monty Python, „Der Sinn des Lebens“)

Die Komikertruppe Monty Python wollte in den 80er Jahren herausfinden, worin im gleichnamigen Film eigentlich „Der Sinn des Lebens“ besteht. Angeführt von „CEO“ John Cleese ließen sie wie üblich den guten Geschmack ein wenig außer Acht. Und nun ein Gedankensprung…

Von John Cleese zu Viktor Frankl…

…Es muss im Jahr 1992 gewesen sein, als ich als junger Student (*) einen Vortrag von VIKTOR FRANKL in Wien besuchte. Der Hörsaal war randvoll und das Publikum hing förmlich an seinen Lippen. Nach der Veranstaltung hat er sich noch Zeit genommen um Autogramme zu geben, Buchwidmungen zu schreiben und persönliche Fragen zu beantworten. So auch ich, denn ich war damals auf der Suche nach DEM Interviewpartner für meine Diplomarbeit „SINN IN UNTERNEHMEN“.

Nach langem und geduldigen Warten in der Schlange war es endlich soweit und ich durfte meine Frage an ihn stellen. Leicht nervös, aber doch fokussiert weiß ich meine Frage und seine Antwort noch heute, als wäre es vorgestern gewesen: „Lieber Herr Professor Frankl, ich bin Student an der WU Wien und schreibe gerade an meiner Diplomarbeit über Sinn. Wären Sie eventuell bereit mir zu einem späteren Zeitpunkt ein kurzes Interview zu geben? Darauf sagte Frankl: „Junger Mann, Sie studieren Ökonomie und wollen eine Arbeit über Sinn schreiben? Die Wirtschaft interessiert sich doch nicht für Sinn!“. Ich vermutete dass es eine seiner berühmten paradoxen Interventionen war. Aber schließlich lenkte er doch noch ein und wir sprachen noch über Faxnummern… (**)

Viktor E. Frankl; Bildnachweis: Wien-Info © Katharina Vesely

Der Mensch Viktor Frankl

Viktor Frankl ist heute vielen Menschen ein Begriff. Als Überlebender des Holocaust und Gründer der Logotherapie & Existenzanalyse, die darauf abgestimmt ist, dem Menschen bei der Sinnfindung zu helfen. Frankl erkannte, dass man selbst unter widrigsten Bedingungen einen Sinn im Leben finden kann (siehe unten Einstellungswerte). Sinnfindung und Werteverwirklichung sind auch in Krisensituationen möglich und zentral für die psychische Gesundheit.

Nach Kriegsende schrieb Frankl den Bestseller „Man`s search for Meaning“. Dieses Buch wurde in 26 Sprachen übersetzt (deutscher Titel „…trotzdem JA zum Leben sagen“), über 12 Millionen mal verkauft und der Library Congress bezeichnete es als eines der 10 einflussreichsten Bücher die je geschrieben wurden („a book that made a difference in your life“). Es vermittelt, dass Menschen in allen Lebensbedingungen in der Lage sind, Sinn zu finden. Trotz allem (z.B. Pandemie, Jobverlust, Krankheit etc.) kann der Mensch seine eigene Existenz, sowie seine Umwelt durch eine lebens- und sinnbejahende Haltung gelingend gestalten.

Sinn ist aktueller denn je….

Etwas Sinnvolles tun, zu etwas beitragen, sich für andere Menschen einsetzen (siehe auch mein #Blog2 „Helping Culture“), soziales Engagement oder für nachhaltige Projekte engagieren. Das sind einerseits Anforderungen, die junge Menschen an sich und ihre Arbeitgeber stellen. Andererseits haben viele meiner Bekannten und Freunde Ihren Job verloren, oder arbeiten in Kurzarbeit. Wiederum sind bei anderen Nachdenkprozesse und existenzielle Fragen zwangsläufig aufgetreten und sie nutzten die Krise, um sich beruflich komplett neu zu orientieren („from shock to shift“). All das sind Realitäten, die Sinnfragen betreffen.

Sinn nach Frankl – eine ganz kurze Einführung

Frankls Logotherapie leitet sich vom griechischen Wort logos ab und bedeutet so viel wie „Sinn“ oder „Geist“ (nicht zu verwechseln mit einem Geist bzw. dem aktuellen Datingphänomen „ghosting“ :-). Sinn verweist immer „auf etwas“ oder „auf jemanden“ und kann somit nicht gegeben oder schon gar nicht angeordnet werden, zum Beispiel „Sinn stiften“. Eine allgemein gültige Antwort auf Sinnfragen ist nicht möglich. Sinn ist somit etwas, was in einer konkreten Situation gefunden werden kann. Das Sinnstreben des Menschen existiert by the way unabhängig von der Befriedigung sonstiger Bedürfnisse (beispielsweise Maslow`s Bedürfnispyramide).

Wege zum Sinn – Die 3 Hauptstraßen


Abb.: Die 3 Hauptstraßen zum Sinn nach V. Frankl (eigene Darstellung)

Wertvoll kann vieles im Leben sein, und man fragt sich, wie man sich in dieser verwirrenden Fülle zurechtfindet und zu einem sinnvollen Leben gelangen kann? Es ist daher der besondere Verdienst von Frankl, Möglichkeiten aufzuzeigen, die in ihrem Wert sinnträchtig sind. Er beschreibt diese mit den drei „Hauptstraßen zum Sinn“. Alle drei Werte sind nicht allgemeingültig, d.h. nicht unabhängig von Zeit und Ort. Alle Werte, die für die Erfüllung eines Lebenssinns von Bedeutung sind, sind nur im Zusammenhang mit einer spezifischen Situation, das heißt in einem bestimmten Kontext gültig. Sie sind daher Situationswerte.

  1. Erlebniswerte: Als sinnvoll kann das Leben erfahren werden, wenn etwas in seiner Buntheit, in seiner Formenvielfalt, in seiner Ebenmäßigkeit als schön empfunden wird. Zu den tiefsten Erlebniswerten gehört die Begegnung mit anderen Menschen, nämlich dort wo Alter und Ego in ihrer Einzigartigkeit und Vielfalt ihres Wesens erfasst werden. Zum Sinn werden Erlebnisse, wenn sie aktiv mitgestaltet werden. Zum Beispiel Erlebnisse, an denen man sich erfreut, Freundschaft oder Solidarität
  1. Schöpferische Werte: Als sinnvoll erfährt der Mensch sein Leben auch dort, wo er kreativ-schaffend wirkt. Etwa durch das Schaffen eines kreativen Werkes, das Setzen einer guten Tat, oder an der Umsetzung einer Aufgabe, an der man wächst.
  1. Einstellungswerte: die Möglichkeit, zu seinem Schicksal Stellung zu nehmen, auch wenn die Verwirklichung von den Werten eins bis zwei nicht mehr möglich sind. Auf die Frage, das Anliegen seines Lebens in einem Satz zu formulieren, antwortete Frankl in einem Interview: „Ich habe den Sinn meines Lebens darin gesehen, anderen zu helfen, in ihrem Leben einen Sinn zu sehen“.

Vorschau Teil 2:

Wie diese Werte im Beruf und in der Arbeitswelt gelebt werden und ob Unternehmen und Führungskräfte ihren „purpose“ finden können, davon mehr im Teil 2 dieses Blogs. Wie sagte schon der oben erwähnte John Cleese: „If you want creative workers, give them enough time to play“.

Schönen Sommer!

Danksagung:

Ich möchte mich diesmal bei meiner Frau Mag. Gabriele Teufl-Kral und bei meinen Freunden Dr. Gerhard Krejci, Mag. Andreas Kutil und Mag. Herbert Pelzer für ihre Ermutigungen und Impulse zu diesem Blog herzlichst bedanken.

Persönliche Anmerkungen:

(*) Mein persönliches Interesse an der Sinnlehre von Frankl entstand schon in sehr jungen Jahren. Nach zwei längeren Spitalsaufenthalten als Kind bzw. Schüler habe ich – konfrontiert mit der Tatsache, dass das Leben mir schon in jungen Jahren Fragen stellt und nicht umgekehrt – mich recht früh mit Fragen nach dem Sinn beschäftigt.

(**) Für geneigte junge Leser*innen: Ein Fax – auch Fernkopie – genannt, ist lt. Wikipedia die Übertragung eines oder mehrerer Dokumente in Form eines in Linien und Pixel gerasterten Bildes über das Telefonnetz oder per Funk. Die Nummer mit der Faxnummer könnte auch aus dem Film „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ stammen, in der Hugh Grant im folgenden Dialog flunkerte: „Sagen Sie kennen, kennen Sie tatsächlich Oscar Wilde?“ – „Nicht persönlich, nein. Aber ich kenne jemanden der seine Faxnummer für Sie besorgen könnte“.

Das geplante Interview mit Prof. Frankl kam übrigens leider nicht mehr zustande….Es gelang einige Monate später ein für meine Arbeit ebenso inspirierendes Gespräch mit dem langjährigen Begleiter und Weggefährten von Viktor Frankl, Dr. Alfried Längle, dem damaligen Vorsitzenden der Gesellschaft für Logotherapie, bekannter Psychotherapeut und Verfasser mehrerer hervorragender Bücher über Frankl. Die letzte Gelegenheit Viktor Frankl persönlich zu erleben war am 16.Jänner 1995 im Rahmen einer Vorlesung an der Uni Wien zu „Sinnfrage – Einführung in die Logotherapie und Existenzanalyse“.

Weiterführende TIPPS:

Das Viktor Frankl Zentrum hält seine Erkenntnisse für die Nachwelt und Gesellschaft fest. 2015 wurde auch das weltweit erste Viktor Frankl Museum in Wien eröffnet. Der Besuch dieses multimedialen Museums ist sehr zu empfehlen: https://www.franklzentrum.org/home.html

@FranklZentrum

weiterführende Literatur:

FRANKL Viktor (1991): Der Wille zum Sinn. München, Piper

LÄNGLE Alfried (1998): Viktor Frankl. Ein Porträt. Piper

TEUFL Stefan (1994): Der Sinn Begriff in der Logotherapie nach V.E. Frankl – Das Sinnverständnis der Unternehmenskulturdiskussion. Ein Vergleich. In: Bulletin der Gesellschaft für Logotherapie & Existenzanalyse 1/94 (Auszug aus Diplomarbeit 1993)

Videotipp:

„In memorian 1938“ – Frankls berühmte „Gänsehautrede“ vor 35.000 Menschen am Wiener Rathausplatz im Jahr 1988

youtube.com

Veröffentlicht von Dr. Stefan Teufl

TEUFLs CONSULTING (Strategic HR & Positive Leadership Advisory, Learning & Development Concierge Services) / FHWien der WKW (Studiengang HR & Organization, Fachbereichsleitung Organisationsentwicklung & HR-Transferprojekte) stefanteufl607@gmail.com / stefan.teufl@fh-wien.ac.at

2 Kommentare zu „Blog #5 – Being John Cleese…oder das Leben hat gerade jetzt einen Sinn! Teil 1

    1. Hallo „Mann von Gaby“ 😉 bzw. Hallo Stefan,
      Danke für diesen Blog #5 – ich bin schwer beeindruckt von Inhalt wie Aufbau mit Start bei einem bzw. diesem Filmzitat hin zum Schwerpunkt Viktor Frankl zum Thema Sinn und zum guten Schluss seine Rede, habe mir alles angeschaut und sage: Dankeschön dafür!

      Gefällt 1 Person

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

%d Bloggern gefällt das: